Wer hat denn Lust, sich im Oktober noch auf's Wasser locken zu lassen? Ich konnte es kaum fassen, dass da noch ne Dreiercrew zusammen kommt, okay, mit mir sogar ein Quartett.

Mit an Bord sind (v. lks.) Alexandra, Eckhard, Dörte und Ralf. Dörte hat wohl die „Schuld“ am Zustandekommen des Törns. Offenbar hat ihr der Julitörn so gut gefallen, dass sie Alex motivieren konnte, Alex aber leider nicht ihre Freundin, also springt … Ecki auf den fahrenden Zug.

Alle drei bringen schon ganz schön viel Segelerfahrung mit, haben den SKS schon länger in der Tasche und wollen eine entspannte goldene Oktoberwoche segeln. Vier Leute mit dem erforderlichen Patent an Bord, hatten wir das schon mal? Ich glaube nicht, höchstens nach ner SKS-Prüfung - am Törnende!


Und weil sich bei diesem Törn einiges um die Havarie der Roll-on-Roll-off-Fähre „Lisco Gloria“ drehen wird, eine Anmerkung vorneweg: In der Nacht vom 08. auf den 09. Oktober geriet die litauische Ostseefähre „Lisco Gloria“, nach einer Explosion auf dem Oberdeck, vor Fehmarn in Brand. Das Feuer verbreitete sich rasend schnell, sodass die 236 Passagiere und Besatzungsmitglieder das Schiff aufgeben und verlassen mussten. Alle konnten von anderen Schiffen aufgenommen werden, ca. 20 Personen erlitten Rauchverletzungen.


Sonntag, 10.10.: Heiligenhafen – Marstal

O – SO um 3, vorübergehend abflauend, später NO 2 – 3, diesig, anfangs vereinzelt Küstennebelfelder, See 0,5 m

Als wir ca. 36 Stunden nach der Havarie in Heiligenhafen ablegen, wissen wir, dass die „Lisco Gloria“ durch den Südost offenbar Richtung Langeland driftet. Der „Stegfunk“ an Steg 12 meldet bereits, das Feuer sei gelöscht, die Fähre soll abgeschleppt werden, aber das interessiert uns jetzt nicht wirklich, wir müssen zunächst mal das Schiff und dann uns selber kennen lernen und das geht nun mal am besten beim Segeln.

Ein leichter Südost schiebt uns raumschots raus auf die Westliche Ostsee, aber die Standardsegel bringen gerade mal 3,5 Knoten und vor uns ein Haufen Yachten. Frei nach dem Motto, zwei Boote sind eine Regatta, packen wir den Blister aus und rollen das Feld von hinten auf. Super, jetzt segeln wir auf der Überholspur, aber dann  kommen von achtern gleich drei Yachten mit Spi auf und stecken uns ebenso genüsslich in die Tasche, ohje! Von der X wird noch rüber gerufen, ob wir aus Hannover sind ..? Ja, sind wir, aber damit weiß immer noch nicht, wer da gefragt hat, meldet euch! Als wir uns dem Dovnsklint, so heißt die Südspitze von Langeland, nähern, ist es immer noch diesig. Die Sicht beträgt ca. 3 – 4 sm und wir wollen wissen, ob die „Lisco Gloria“ vielleicht doch noch irgendwo zu sehen ist. Aufgrund der Windrichtung muss die Fähre Richtung Tiefwasserweg Großer Belt gedriftet sein, aber an Steuerbord ist keine „Lisco Gloria“.

Danach gebe ich die Suche auf und bin überrascht, als gegen 1600 die immer noch brennende „Lisco Gloria“ aus dem Dunst auf unserer Kurslinie auftaucht. Von wegen das Feuer ist aus! Die Fähre liegt, aus dem Blickwinkel von Heiligenhafen, auch nicht vor Langeland, sondern war bereits an der Südspitze vorbeigedriftet. Genau acht Meilen hinter der Fähre liegt Marstal, da wollen wir hin.

Das Bild der immer noch brennenden Fähre ist ziemlich bedrückend, unglaublich, das ein Feuer Stahl schmelzen und so verbiegen kann. Hinter der Brücke sind sogar die Aufbauten weg gebrochen, geschmolzen, was auch immer, das Oberdeck ein einziger Schrotthaufen. Die Davits sind zu sehen, aus denen die Rettungsboote gefiert wurden. Die Beinahe-Katastrophe ist doch erst 40 Stunden her. Aus den Nachrichten hören wir, dass Spezialisten vom Hubschrauber abgeseilt worden waren, die den Anker fieren konnten.

Natürlich haben wir die Situation dokumentiert und Ralf hat unterwegs sogar ein kleines Video geschnitten:

Aber zurück in den goldenen Oktober, der uns immer noch eine tolle Woche verspricht. Wir blistern beinahe bis zur Ansteuerungstonne von Marstal und sind nach 31 sm um 1820 fest am Steg.

Noch Fragen zum Essen?


Montag, 11.10.: Marstal - Svendborg

Schwach umlaufend, anfangs diesig

Der Wind gibt mehr her, als der Wetterbericht versprochen hatte und wir nehmen das bisschen Wind sportlich, üben mal wieder die Q-wende, die Boje geht über Bord und das Quick-Stop-Manöver begeistert auch diese Crew. Gegen den Wind kreuzen wir weiter nach Rudkøbing auf und vermessen dabei den Bereich neben dem Fahrwasser neu.

Weiter geht die Fahrt. Wir passieren die Brücke und kürzen den Kurs in den Svendborgsund ab. Die Karte hat hier zwar immer noch eine Fischzucht als Sperrgebiet ausgewiesen, aber in diesem Jahr war hier noch nie was gesperrt, also drüber & durch.

Der Svendborgsund kommt näher, wir freuen uns über Valdemars Slot und im Fahrwasser geht dem Wind dann doch noch die Puste aus, wir müssen motoren. Lyø oder Fåborg werden wir heute nicht mehr erreichen, wir bleiben in Svendborg, wir haben alle Zeit der Welt.

An dieser Stelle sei einmal auf die unterschiedlichen Bräuche an Bord vieler Yachten hingewiesen:

Natürlich gibt es auch bei uns einen "Anleger", den traditionellen Sherry. Nur, gegen Ende der Saison bleiben immer mehr gut gemeinte „Reste“ in der Bar hängen, die müssen natürlich weg und so gab es süßen und trockenen Sherry UND klebrigen Amaretto. Wehe, es kippt jemand ’n Schluck über Bord, das kommt gar nicht gut.


Dienstag, 12.10.: Svendborg – Lyø (Fåborg)

Wie gestern, schwach umlaufend, anfangs diesig

In Svendborg (Achtung, Wechsel der Betonnungsrichtung) vergnügen wir uns zunächst bei einer Hafenrundfahrt und motoren nach Westen. Am Ausgang des Svendborgsund setzen wir Segel und kämpfen mehr mit uns, als mit dem schwachen Wind. Dann vor uns eine etwa gleichgroße Bavaria. Na klar nehmen wir die Verfolgung auf und es entwickelt sich ein unendlich langsames Rennen. Wir segeln zwischen 1,9 und 2,3 Knoten und sind begeistert, dass wir überhaupt noch vorwärts kommen. Die Slowmotionregatta führt die beiden Boote weit voneinander weg und doch treffen wir uns immer wieder, inzwischen mit Vorteil für uns. Der "gegnerische" Skipper ist verzweifelt, weil wir sogar mit einem Rollgroß ein klein wenig „schneller“ sind, lässt sich aber trösten, als ich ihm von unseren verdammt neuen Segeln erzähle. Na denn …

Um 1230 mischen Schweinswale die Regatta auf. Der Skipper trägt die Position ins Logbuch ein und gibt die Daten später an die gsm weiter. Schau mal auf die gsm-homepage, wenn Dich das Thema interessiert.

Eine Stunde vor Fåborg geben wir auf, wir „segeln“ Nullkommairgendwas, die andere Yacht liegt weit zurück und nun bringt uns eben der Jockel nach Fåborg. Kurz vor dem Hafen beobachten wir erneut Schweinswale, aber dann sind wir drin.

Eine kleine Sightseeingtour führt uns durch die Altstadt mit dem markanten Glockenturm.


Mittwoch, 13.10.: Fåborg – Lyø - Ærøskøbing

Wie gestern und vorgestern, schwach umlaufend

Jeden Tag fährt jemand anders die Ab- und Anlegemanöver, heute ist Eckis Tag und der bekommt zunächst jedenfalls keine Chance auf Segel setzen. Null Wind, aber so fühlt sich wohl ein goldener Oktober an. Wir beginnen zu schwitzen in unseren „Kampfklamotten“ und dem Fleece drunter & drüber.

Nach Lyø, das soll die Crew unbedingt sehen, ist es ja nicht weit und 90 Minuten später machen wir im neuen Hafen fest. Der im Bild hintere Hafenteil wurde erst in diesem Jahr dazu gebaut, die Kapazität verdoppelt. Leider sind die sanitären Einrichtungen noch nicht angepasst. Kommt da noch was?

Lyø ist ein wunderschønes Dorf und die heutigen Dorfbewohner stammen natürlich alle von den Widerständlern ab, die um 1540 einen Aufstand lostraten ... aber leider nicht für sich entscheiden konnten. Sie hatten nur noch die Wahl, nach Lyø oder tot.

 

Wieder zurück in unseren goldenen Oktober, wir wollen ja noch weiter nach Ærøskøbing. Gegen 1300 legen wir wieder ab, setzen Segel … und kommen wieder kaum von der Stelle. Ob Stan Nadolny hier die Langsamkeit entdeckt hat? Bestimmt.

Die Fähre Fåborg – Søby will unser Schneckentempo offensichtlich für ein Ramming ausnutzen und setzt die Rudergängerin ordentlich unter Druck (siehe unten), aber der Angriff wird ohne Probleme abgewehrt. Natürlich werden nebenbei wieder Schweinswale gesichtet, bergen wir Segel, um 10 Minuten später bei plötzlich 4 Bft., einen herrlichen Anlieger bis vor die Haustür von Ærøskøbing zu segeln.

Na und das Dörte gegen ihren eigenen Willen rückwärts im alten Hafen festmacht, soll hier nicht verschwiegen werden.

Auch nicht der wunderbare Rundgang durch die alte Stadt, aber davon gibt’s hier auf der website schon so viele Fotos. Natürlich auch von den Badehäusern, aber im Sommer geht die Sonne fast im Norden unter und jetzt ..?


Donnerstag, 14.10.: Ærøskøbing - Bagenkop

NW – W um 5, etwas abnehmend

Von Eckhard muss hier die Rede sein, der jeden Morgen tapfer die Brötchen holt und somit bestens über die Wechselkurse DKR/€ informiert ist. Nicht alle dänischen Brötchen sind ihren Preis wert, stellen wir fest, aber das ist eh kein Geheimnis.

Beim Ablegen dampfen wir in die Achterspring ein, haben gleich vor dem Hafen zu viel Tuch drauf, sodass wir gerade noch einen Sonnenschuss verhindern können. Also wird ordentlich gerefft und wir staunen über glatte 6 Bft.. Plötzlich schieben wir ordentlich Lage, ab und zu kommt Spritzwasser über, harte Arbeit für die Steuerleute.

Dann nach Marstal hart am Wind aufkreuzen, weiter durch die Rinne und mit viel Strom von achtern an Marstal vorbei. Bereits um 1325 sind wir in Bagenkop fest, kein Boot mehr da.

Wir sind nicht überrascht, dass wir die „Lisco Gloria“ immer noch an ihrem "Ankerplatz" wieder finden, die Nachrichten haben auch uns erreicht. Was uns aber erstaunt ist, dass das Wrack durch den frischen Wind noch stärker als am Sonntag brennt. Wir dachten, der Brand sei inzwischen wirklich gelöscht.


Freitag, 15.10.: Bagenkop - Heiligenhafen

Schwach umlaufend, später NO drehend, zunehmend 4 – 5, See 1 m

Um den Kurs aufzunehmen, kommt man an der „Lisco Gloria“ (wieder) nicht vorbei, aber wir halten ausreichenden Abstand. Den Unterschied zu Sonntag macht offenbar ein Tankboot, dass das Löschwasser aufnehmen soll und am Schrotthaufen festgemacht hat.

Der Dreier verlangt eine Stunde nach dem Ablegen schon nach dem Blister, aber so richtig kommen wir damit auch nicht in Fahrt, wechseln auf den 29 PS Volvopenta und dann doch wieder zurück auf den Blister.

Der Kurs stimmt. Wie das Foto vom Plotter zeigt, haben wir den Kiel-Ostseeweg (KO 4) gerade hinter uns. Der Wind bleibt schwach, aber zum guten Schluss gibt’s doch noch einen Nachschlag  Wind und nun steuert uns Ecki bis ins Heiligenhafener Fahrwasser. Was für eine Woche, mehr geht doch nicht.

Dann noch tanken und als wir in der Box fest sind passiert etwas ungewöhnliches, es beginnt zu regnen. Es hat während der ganzen goldenen Oktoberwoche nicht einmal geregnet. Ja, wir sind dankbar … und das feiern wir denn auch zum Törnende in der Altdeutschen Bierstube.

Hat viel Spaß gemacht mit euch, schnattern auch die blöden Gänse vom Hafenmeister ... Tschüss