Donnerstag, 06. September 07, Heiligenhafen

So ganz genau weiß ich nicht, warum die Crew diesen Törn als „Philosophentörn“ eingetütet wissen will, aber das habt ihr nun davon Dschunxx und das führt konsequenterweise zu folgender Crewliste:

Andreas Marcuse
    

Jens W. Adorno
    

Torgen Horkheimer
    

Karsten Habermas
    

Ralf Bloch

nimmt nach 15 Jahren endlich wieder das Ruder in die Hand. Tourt diesmal nicht mit dem Sendungsbewusstsein, ob sich der Marxismus im Stalinismus bis zur Unkenntlichkeit oder Kenntlichkeit verwandelt hat, durch die Häfen.
    

auf den Regattabahnen buten & binnen gefürchtet. Wegen seiner kulturkritischen Position zum Verblendungszusammenhang der bürgerlichen Gesellschaft nicht unbedingt bei allen Hafenmeistern beliebt.
    

sammelt zwar seamiles & more, beschäftigt sich aber doch lieber mit der Kritik der Bürgerlichen Gesellschaft – die Segelszene in diesem Fall mal ausgenommen.
    

dokumentiert Segeltörns und beeinflusst maßgeblich die Entwicklung der deutschen Segelwissenschaften, die Moral- und Sozialphilosophie und eine vielbeachtete Diskurstheorie der Moral und des intern. Seerechts.
    

entwickelt als Navigator seine Philosophie des zwischen Nicht-Mehr- und Noch-Nicht-Sein, die sozialwissenschaftlich methodologisch bisher leider noch nicht in die Logbücher aufgenommen worden ist.

Getreu dem Motto „Ein Tag ohne Bier ist wie ein Tag ohne Wein“ haben die Dschunxx bereits im Heimathafen Hannover reichlich Proviant gebunkert, sodass in Heiligenhafen nur noch geringe Mengen ergänzt werden. Und nachdem die persönliche Ausrüstung gestaut und die Kojen bezogen sind vereinbart die Crew, die lokale Wirtschaft* durch eine entsprechende Nahrungsaufnahme zu fördern. Später erfolgt an Bord der „Surprise“ die erste Rate der Sicherheitseinweisung (innen) und das vorläufige „Briefing“ für den möglichen Kurs, bevor unsere Denkercrew in einen tiefen Schlaf fällt.

* hier ist die Rede vom Seestern, gleich am Yachthafen
 

 
Freitag, 07. September 07: Heiligenhafen - Lübeck

Wetterbericht: NW 4 – 5, Böen 5 – 6

„Reise, Reise“ braucht an diesem Morgen niemand aussingen, die Bagger von der Baustelle nebenan machen einen guten job, die Crew ist hellwach. Frühstück und Backschaft gehen Hand in Hand, alle packen mit an. Dann ein kurzes Briefing, was geht, was nicht, die Sicherheitseinweisung an Deck und die Rolleneinteilung für's erste Ablegen übernimmt der Skipper noch selbst (später stellt sich die Mannschaft beinahe von selbst auf).
    

Um 1045 sind die Leinen los, die Fender verstaut, jetzt geht's los. Und weil die Logge hakt, gibt's noch 100 m Rückwärtsfahrt, doch dann nehmen wir unter Vollzeug Kurs auf das Fehmarnsundfahrwasser. Wir sind noch keine zwei Minuten unterwegs, als eine Böe „Surprise“ hart auf die Seite legt. Zum Glück bringt der Rudergänger das Boot schnell wieder unter Kontrolle, aber die Botschaft haben wir verstanden: Reffen.
    

Und gerefft machen wir mit 6 – 7 Knoten gut Fahrt, bereits eine Stunde nach dem Ablegen passieren wir die Fehmarnsundbrücke und der Nordwest zwingt uns im Fahrwasser zum Schmetterlingssegeln. Die kurze Verschnaufpause nutzen wir zur Kartenarbeit und die Navigatoren koppeln sich bis Lübeck durch, voraussichtliche Ankunft 1800.
    

Je mehr wir uns auf SSO-Kurs Dameshöved nähern, wird aus dem Fünfer zunehmend ein Sechser. Die Segelgarderobe wird von der aufmerksamen Crew immer wieder angepasst und „Surprise“ rauscht mit 7, in Böen sogar mit 8 Knoten auf Travemünde zu. Da kommt richtig Freude auf und der Skipper soll, dieses Tempo weder von „Kalami“ noch von seinem Golf 1 gewohnt, bereits weihnachtlichen Glanz in den Augen haben. Eine schöne Bescherung, wäre da nicht der Plotter, der weder auf den Skipper noch auf die Crew hören will, es wäre ein einziges Fest geworden. Nun muss man zur Entschuldigung sagen, dies ist der wirklich allererste Törn mit der „Surprise“ und der optimale Kurs liegt auch ohne Plotter an.

Um 1700 erreichen wir Travemünde. Wegen der Großschifffahrt läuft Kanal 13 (Trave Traffic) mit und bis zu den kreuzenden Autofähren laufen wir unter Motor. Natürlich kommt uns eine Riesenfähre entgegen und Du bekommst als Rudergänger feuchte Hände, wenn vor Dir das Lotsenboot ablegt, die Personenfähre zum Priwall kreuzt und die „Sven Johannsen“ Touristen über die Untertrave befördert. Da bleibt nicht mehr viel Platz und keinen Augenblick Zeit für die „Passat“ oder den alten Leuchtturm, wir müssen sehen, dass wir hier heile durchkommen. Nach der „einsamen“ Überfahrt plötzlich so eine Menge Leben, aber leider kaum noch Wind. Die Genua wird auf der Untertrave ziemlich gequält und gekniffen, sie zieht uns noch ein paar Meilen, aber dann haben wir das bisschen Wind nur noch von vorn…

Es gibt viel zu sehen auf der Untertrave. Wunderbare Landschaft, herrliche Ankerbuchten, die abgerissene Herrenbrücke, Industriebrache, wie heißt eigentlich dieses wunderbare Dorf am östlichen Ufer, die Mündung der Schwartau folgt, die Teerhofinsel, Hafen, eine Klappbrücke die noch nicht klappt und endlich das wunderbare Weltkulturerbe mit den sieben Türmen. Beide Bordfotografen (Nikon gegen Canon) in Hochform, während die Seeleute entscheiden, rückwärts an den Schlengel im Hansahafen zu gehen, es ist der letzte freie Platz. Souverän steuert Torgen die „Surprise“ durch die schmale Einfahrt an den Schlengel und um 1815 sind wir nach 41,3 sm beinahe mittendrin in Lübeck. Von wegen Hafenkino, da habt ihr euch geschnitten.
 
Alle Fotos von Karsten Reumann - vielen Dank