Samstag, 09. Juli 05

O - NO 3, anfangs diesig

Nun ist wieder das Skipperpaar für ein Wochenende unterwegs und endlich hat auch mal Sabine Traumwetter. Wir haben keine großen Pläne, nur mal rüber nach Orth/Fehmarn. Das kleine Dorf in der Nähe von Flügge ist längst kein Geheimtipp mehr - wer hier nicht mal vorbeikommt, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen. Bei idealem Segelwetter verlassen wir Heiligenhafen um 1400 Uhr und stecken 60 Minuten später mitten in einem Regattafeld. Zum Glück sind die Abstände so groß, dass kein Racer ausweichen muss. Wir haben schließlich den Wind von Steuerbord und sind kurshaltepflichtig.

Der Wind ist alles andere als ein Dreier, der kommt schon mit 5 Bft. daher, schätzen wir, denn der Windmessgeber ist ja noch immer demontiert. Und da wir Groß und Genua draufhaben, rollen wir die Genau um 30% ein. Sofort fahren wir aufrechter und die "Lage" entspannt sich. So könnte es noch stundenlang weiter gehen, aber wir stehen ja schon fast vor der Haustür von Orth/Fehmarn. Doch Achtung, die Orther Bucht ist nicht ungefährlich, die betonnte Fahrrinne nach Orth, bzw. Lemkenhafen führt durch sehr flache Sände, also immer schön durchs Fahrwasser. Am Ende liegt der Inselhafen mit seiner mehr als 100jährigen Geschichte und die gehört wesentlich dem damals sehr besorgten Gastwirt Nölck. Das kam so:
    

Dazu ein historischer Auszug aus der offiziellen Seite des Orther Hafens (http://www.hafen-orth.de):

"Orth bedeutet namentlich "Spitze", "Landvorsprung" und war ursprünglich ein Ladeplatz auf Sulsdorfer Grund. Nach der großen Sturmflut im November 1872 wurden auf Fehmarn die Deiche zum Schutz gegen die Wassermassen vom Meer her gebaut. Dabei blieben jedoch Teile der Ortschaften Orth und Lemkenhafen weitgehend außen vor. Der besorgte Gastwirt Nölck ergriff die Initiative und schuf auf der Westseite einen zwei Meter hohen Steinwall, um die Situation des bereits bestehenden kleinen Schutzhafens für die ortsansässigen Fischer zu verbessern. Er holte die Felsen mit seinen eigenen Pferden, oftmals unter gefahrvollen Bedingungen, im Winter über die zugefrorene Ostsse. Noch heute besteht ein Viertel der Kaimauer aus diesen "Nölck-Felsen".

Bevor dann der erste Spatenstich für den Hafen getan werden konnte, waren noch viele Sitzungen in der Vertretung des Westerkirchspiels nötig. 1880/81 erfolgte schließlich der Bau des Orther Hafens und am 9. November 1881 wurde der 174 Meter lange und damals 55 Meter breite Hafen dem Verkehr übergeben.

    

Daran erinnert noch heute die Inschrift am Kaiserdenkmal auf der Westmole, das selbst jedoch erst 1889 errichtet wurde und auf dem Sockel folgende Inschrift trägt: "Zum Andenken an die ruhmreiche Regierung seiner Majestät des Königs und Kaisers Wilhelm I." Auch heute noch grüßt das 1997 von Karl-Heinz "Kuddel" Meier liebevoll restaurierte Denkmal mit der Büste des Kaisers die ein- und auslaufenden Schiffe.

Im Wesentlichen wurde das Frachtaufkommen über den Orther Hafen von Landhandelsprodukten bestimmt, wovon heute noch ein Speicherbau am Hafen zeugt. Der jährliche Getreideumschlag belief sich auf etwa 10.000 Tonnen. Als im Jahre 1905 die Eisenbahn auf Fehmarn bis nach Orth gebaut wurde, verlor der Seeweg an Bedeutung und wurde schließlich eingestellt. Seit Beginn der achtziger Jahre dient der Orther Hafen fast nur noch als Sportboothafen. 1981 wurde der 100. Geburtstag mit einem Festumzug durch das Dorf Orth mit den Vereinen und Verbänden Westfehmarns feierlich begangen".

P.S. Seitdem sich auch Femarn von der Monarchie verabschiedet hat, soll wohl der Kaiser die ein- und auslaufenden Schiffe nicht mehr grüßen, denn die Orther haben ihren Kaiser hinter Büsche und Bäume versteckt. Wilhelmeins blickt da nicht mehr durch. Weitere Informationen und einige historische Fotos gibt es auf der liebevoll gestalteten Seite des ehemaligen Fischkutters "Amoy" (http://www.amoy-orth.de).

Nun aber schnell zurück zu unserem Skipperpaar, das erstmals die im Winter bei eBay ersteigerten Klappräder zur Entfaltung kommen lässt. Gut, nach dem verlorenen Kampf mit der Miniluftpumpe und der selbstlosen Hilfeleistung eines einheimischen Surfers, konnte es endlich auf große Fahrt gehen. Zuerst werden wir über die nach der großen Sturmflut von 1872 eingedeichte Sulsdorfer Wiek nach Flügge und dann über Carlas Campingplatz zu Jimi Hendrix radeln. Hier unten sehen wir bereits die Präsentation der Klappräder in einer beneidenswerten Umgebung - im Hintergrund grüßen Fehmarnsundbrücke und Flügge.
    
    

Zu Flügge gibt es ja schon jede Menge Infos im Logbuch 2004. Außerdem ist der schmale Leuchtturm vom 1. April bis 31. Oktober, täglich - außer Montags - von 10 bis 17 Uhr geöffnet und der Weitblick kostet 2 €. Wer nochmal nachlesen möchte klicke bitte hier:

Eine weitere Etappe unserer Westküstenklappradtour bildet die Suche nach Carla und Nöck auf dem längsten einreihigen Campingplatz der Insel. "Die haben ganz bestimmt gerade den Grill angeschmissen, ein frisches Jever in der Kühlbox und warten mit dem Essen nur noch auf uns", träume ich auf meinem Klapprad, während der Sattel ein wenig in der Höhe nachgibt. Doch welche Braunschweiger wir auch immer fragen, von Carla und Nöck keine Spur, "... vielleicht da ganz hinten."

Schade, dann besuchen wir eben Jimi Hendrix statt Carla und Nöck. Bereits auf dem Campingplatz gibt es Hinweisschilder zum "Jimi-Hendrix-Stein" und der ist auch wirklich nicht zu übersehen:
    

Thorsten Schmidt erinnert an das Festival im September 1970:

"Zuerst versank es im Dauerregen und dann ging es in Flammen auf - in den Annalen der Musikgeschichte steht das Love & Peace-Festival als Flop des Jahrhunderts. Doch die meisten der rund 25.000 Hippies und Rocker, die vom 4. bis 6. September 1970 auf die Ostseeinsel Fehmarn gepilgert waren, haben ganz andere Erinnerungen an dieses Festival. Fehmarn wurde kein europäisches Woodstock, wie es die Veranstalter versprochen hatten, und dennoch bleibt im Nachhinein mehr als der zweifelhafte Ruhm, dem Publikum das letzte Konzert von Jimi Hendrix geboten zu haben. Zwölf Tage nach dem Fehmarn-Auftritt war Jimi Hendrix tot.

Daß sich ... viel Frust aufbaute, lag an den langen Pausen zwischen den Auftritten und den ständigen Absagen bekannter Bands: Colosseum, Taste, Cactus, Can, Procul Harum, Ten Years After oder Keith Emerson weigerten sich, aufzutreten, waren gar nicht erst angereist oder waren angekündigt, ohne daß Verträge zustande gekommen waren. Alexis Korner übernahm die Moderation und bemühte sich, die Pausen zu überbrücken und die wartenden Fans bei Laune zu halten. Daß Jimi Hendrix dann tatsächlich kam und nicht wie geplant am Samstag, aber doch am Sonntag spielte, versöhnte schließlich. Dennoch lief am Sonntag alles aus dem Ruder. Das Gerücht machte die Runde, die Veranstalter seien mit der Kasse bereits geflüchtet, Rio Reiser als Sänger der letzten Band Rote Steine rief: Hauen wir die Veranstalter ungespitzt in den Boden!, und direkt nach dem letzten Akkord ging die Bühne in Flammen auf. Das war's dann", kommentiert Thorsten Schmidt.

Inzwischen gibt es alle Jahre wieder ein "Love & Peace Festival". Wenn zum nächsten Festival Procul Harum, Can, Ten Years After oder Keith Emerson eingeladen werden, ließe sich bestimmt auch Rio Reiser nicht lange bitten - sein Stein steht übrigens in Fresenhagen an der Nordseeküste (http://www.rioreiser.de). Dann würde "Kalami" hier vor der Westküste ankern und wir könnten mit dem Bananaboot zum Festival fahren. Das hätte was.

Wenn, ließe, könnte ... Nach der Reise mit dem Klapprad in die Vergangenheit trampeln wir über Sulsdorf langsam wieder in unsere Hafenstadt zurück. In Orth ist heute nämlich Feuerwehrfest und da spielt eine ganz andere Mucke. Neben Pauken & Trompeten weiß ein "Alleinunterhalter" stimmungsvoll von Marina, Zwei kleinen Italienern und anderen Migranten zu erzählen. Wieso fällt mir jetzt die Geschichte von Tonio Sciavo ein, Spielverderber! Wie gut, dass Skipperin und Skipper müde von den vielen Eindrücken des Tages sind und beide wissen, dass mit dem Alkoholpegel bei Feuerwehrfesten auch die Brandgefahr zunimmt. Da genießen sie lieber den zauberhaften Sonnenuntergang über der Sulsdorfer Wiek und irgendwo hinter dem längsten einreihigen Campingplatz der Insel plumpst die Sonne ins Meer, siehste.

Sonntag, 10. Juli 05

NO 3

Der Zufall will, dass ich am nächsten Morgen auch noch den Sonnenaufgang mitnehmen muss. Übrigens hat es in der Nacht nicht gebrannt und hier der 0500 Uhr Blick aus dem Cockpit in östliche Richtung: Guten Morgen, Segler.
    

    

An einem solchen Tag kannst du nur nur noch baden gehen - und "dem Kaiser in den Rücken fallen" (direkt hinter Wilhelmeins liegt ein geschützter Badestrand). Du kannst danach herrlich im Cockpit frühstücken, Sonnenschutzfaktor 25 auftragen, leise ablegen und dich vom einschlafenden Wind auf den Fehmarnsund schieben lassen. Und da liegen sie alle in der Sonne und genießen einen dieser seltenen Tage, an denen selbst das Ostseewasser schon zu warm scheint. Kurz vor 1700 Uhr kommt dann Hektik auf und die Einfahrt nach Heiligenhafen ist beinahe so voll, wie die A1 zwischen Stillhorn und dem Maschener Kreuz mit Kurs auf Hannover.

"Das war unser schönstes Wochenende", schwämt Sabine immer noch, dabei sind wir doch kaum gesegelt ...