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PDF | 2,78 MB Segeln jenseits von Afrika - mit "Kalami" nach Samsø (2,78 MB)

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14. August - 03. September 06

Monatelang haben wir uns auf die schönsten Wochen des Jahres gefreut. An vielen Abenden sind wir in diversen Törn- und Reiseführern bereits auf Samsø, bis mich Petras Seite auf den richtigen Kurs bringt. Wer hier nicht surft ist selber Schuld. Zur Törnvorbereitung und für informative Einblicke in die Häfen liefert www.anhinga.de eine ausgezeichnete virtuelle Navigation. Super Petra, vielen Dank für die wochenlange Vorfreude und sorry für das unbeabsichtigt „geklaute Foto“.
 
Nach Samsø wollen wir und dort natürlich ein paar Tage bleiben. Gern noch Ebeltoft und Aarhus wenn die Zeit reicht und keinen Hafen zweimal. Die Hinreise durch den Guldborgsund, das Smålandsfahrwasser, über Korsør nach Ballen, zurück über Korshavn, Kerteminde, Lohals nach Heiligenhafen, so jedenfalls unsere Planung. Und wir hatten doch so ein Traumwetter im Juli, dann war es lange durchwachsen und jetzt, Mitte August Schauer- und Gewitterböen ohne Ende. Bevor die Reise überhaupt losgeht sind wir schon drei Tage im Heimathafen eingeweht. Böen mit 7 – 8 Bft., die See bis 2 m, warnt DP07. Wir kommen gar nicht erst weg, von wegen Urlaub.

 


Mittwoch, 16.08.06, Heiligenhafen – Nysted/Lolland

Das Wetter: W – SW 5 – 6, Böen bis 7 Bft.

 

Endlich, nach drei Hafentagen legen wir um 1145 Uhr ab und in den ersten Stunden bei 4 Bft. aus SSO stellt sich schnell die gewohnte Bordroutine ein. Wir passieren die Fehmarnsundbrücke diesmal als Tor zur Sonne, von Böen keine Spur. Ab Staberhuk will uns der Wind sogar verlassen. Die Mob-Manöver werden mit ohne kaum Wind zum mittleren Desaster und zu allem Unglück entdecken wir erstmals riesige Teppiche abgestorbener Blaualgen. Seemeilenweit nichts als Algen. So was haben wir noch nie gesehen, was ist mit der Ostsee los?
 
Als wir den Kiel-Ostseeweg passieren fühlen wir uns wie in den Rossbreiten, aber wo sind die Rösser? Nur zwei, drei Frachter und der Riesenkreuzfahrer „Jewel of the Seas“ liefern ein wenig Unterhaltung, aber schäumende, beinahe 10 cm dicke, gelbgrüne Algenteppiche bleiben der Aufreger. Die Ostsee ist aus dem Gleichgewicht. Ein paar Meilen weiter ahnen die Seehunde auf dem Rødsand nicht, welch giftiger Schleier sich hier bald auf dem Meeresboden niederlassen wird. Blaualgen, das klingt so harmlos, lernen wir später von Petra Deimer - www.gsm-ev.de.
 
Längst treibt uns der Flautenschieber diagonal durch den größten Seewindpark der Welt vor Nysted/Lolland. 72 Windmühlen, jede 70 m hoch und mit 40 m langen Propellern, erzeugen neben Strom auch eine gruselige Stimmung. Schön ist das nicht, aber bei Touristen sind die Bootstouren durch den „Havmølleparken“ zu den Sandbänken der Seehunde ausgesprochen beliebt. Zwei Stunden später hangeln wir uns durch das mäßig betonnte Fahrwasser über das Nysted Nor in den Lystbådehavn. Nach 34 sm dieser Sommernachtstraum (unten) mit „Kalami“ vor einem Traditionssegler, dem Schloss und einer guten Nacht. Wir sind im Urlaub angekommen.

 

Für eine Pastorenfamilie aus der Nähe von Simmern im Hunsrück geht der Urlaub mit diesem Tag zu Ende. Der Zufall führt sie zu uns an Bord und vielleicht wird der Traum von der Seefahrt eines Tages Realität. Dann werden auf der Burg Waldeck sicher bald auch Shantys gesungen.

 


Donnerstag, 17.08.06, Nysted

 

Die Yachtleser haben Nystedt, nach Kerteminde, zum zweitbeliebtesten dänischen Hafen gewählt und nun wollen wir endlich wissen warum. Wir lesen beim Hafenmeister: „Nysted die Perle der »Südseeinseln«... Eine kleine idyllische Hafenstadt mit schönen Häusern und Strassen in einem reizvollen Hafenambiente, familienfreundlicher Sandstrand und Grillplätze nur wenige hundert Meter vom Stadtzentrum. Und erst die Umgebung! Felder, Wälder und Wiesen, Hafenidylle, romantische Dorfkirchen, eindrucksvolle Hünengräber. In Nysted liegen auch Schloss Aalholm und das Automobilmuseum sowie der alte Wasserturm, der heute Aussichtsturm ist…" Nach dem ersten Eindruck haben die Yachtleser gut gewählt.
 
 
Bevor wir die Klappräder entfalten besuchen wir unsere Bootsnachbarn auf der Amel Santorin „Renos“, nicht ahnend, dass uns die „Renos“ gleich zum Verkauf angeboten wird. Für schlappe 200.000 € können wir das Traumschiff beinahe gleich mitnehmen …

 

Dann führt uns die „Paradisrute“ am Nor entlang aus der Stadt heraus. Mal am Badestrand, an der Steilküste, vorbei an Bauernhöfen und immer mit der wunderbaren Aussicht auf die Ostsee oder über den Guldborgsund. Und wie im Paradies werden wir von den Früchten verwöhnt, die buchstäblich am Wegesrand liegen. Hirsche und Rehe beobachten uns im Roden Skov, das ist der einzige größere Wald auf Lolland, bevor wir über Kettinge wieder Nystedt erreichen. Unbedingt empfehlenswert. Die Enttäuschung: Schloss Aalholm bietet zwar seit 1200 den nötigen Schutz für die Nystedter, wir Touristen bleiben hingegen ausgesperrt. Betreten verboten. Wären die Seeräuber der mecklenburgischen Grafen, die Vitalienbrüder, heute noch unterwegs, sähe das zweifellos anders aus, aber die haben ihre Beute gut angelegt und rauschen allenfalls mit ner 53er Hanse über die Ostsee.

 


Freitag, 18.08.06, Nysted - Nykøbing

Das Wetter: SO – O zunehmend 4 – 5, später SW drehend 4, Gewitterböen, strichweise diesig, See bis 1 m

 

Die Windstille im geschützten Hafen erweist sich als trügerisch, draußen pfeift es mit 5 - 6 aus OSO genau von vorn. Zum Segeln im Fahrwasser keine Chance und bei den Bedingungen machen wir den Kardinal, der den Weg in den Guldborgsund weist, erst sehr spät aus, aber dann geht das Groß nach oben, wir segeln in den Guldborgsund. Hier heißt es aufmerksam navigieren, im Fahrwasser zeigt das Echolot teilweise nur 2,00 m und bei manchen Richtungswechseln schalten wir den Motor dazu.
 
Als wir schließlich mit glatten 6 Bft. kämpfen wird uns die Sache zu windig und „Kalami“ kurzerhand zur Motoryacht. Also, Segel runter und nun genießen wir die wunderbare Landschaft. Der Sund wird schmaler, kommt als See und schließlich als Fluss daher. In der Ferne bereits Nykøbing und vor der Stadt die Klappbrücke. Gegen Strom von achtern und Wind von der Seite warten wir in langsamer Rückwärtsfahrtauf die Brückenöffnung und müssen bestimmt 30 Minuten zusehen, dass wir im Fahrwasser bleiben. Eine Geduldsprobe, bis endlich die Brücke öffnet.

 

Um 1615 Uhr ist nach rund 16 sm die letzte Leine noch nicht fest, als uns ein heftiger Platzregen erwischt. Dabei hatten wir uns so auf Sommerjazz gefreut, zu dem die Stadt an jeden Freitagnachmittag auf den Markt bittet. Als ich nach dem Wolkenbruch vorsichtig den Reißverschluss der Kuchenbude öffne, swingt vom Winde verwehte Jazzmusik bis in den Hafen, „…ich hör' ja wohl nicht richtig, die spielen!“ Zehn Minuten später wippen wir ebenfalls mit dem Fuß, aber so sehr die „Jazzonklerne“ auch in die Tasten hauen, gegen die soeben durchgezogene Kaltfront haben die keine Chance. Rund um die Pølser- und Bierbuden brummt es zwar, aber Jazz wollen die eher nicht hören, die feiern lieber sich selbst. Auch wir treten zum ersten Stadtrundgang an, entdecken auch einige liebenswerte Ecken, aber so richtigen Charme entfaltet die Stadt leider nicht.

 


Samstag, 19.08.06, Nykøbing

 

Der Yachthafen, so wunderbar am Sund gelegen, hätte ein besseres Konzept verdient. Mindestens vier Klubs teilen sich Liegeplätze und eben auch die sanitären Anlagen. Irgendwie funktioniert das meistens, aber manchmal eben auch nicht. Schade. Nykøbing hat aber auch noch das Middelaldercentret und wer den Guldborgsund passiert, kommt daran einfach nicht vorbei. Guckstu erst mal hier und schon bist Du mittendrin:

„Wir schreiben das Jahr des Herrn 1396. Die Stadt Sundkøbing hofft auf ein gutes Jahr, wo viele Waren und Händler den Weg in unsere Stadt finden. Der Kaufmann hat zum Schutz seiner Schiffe Söldner angeworben, weil die Seeräuber der mecklenburgischen Grafen, die Vitalienbrüder, immer noch ihr Unwesen auf der Ostsee treiben. Der Kaufmann wird sich in dem neu errichteten Haus niederlassen. Ansonsten gehen alle ihren üblichen Geschäften nach. Die Handwerker haben alle Hände voll zu tun, und an Markttagen zeigen die Käufer reges Interesse an den feilgebotenen Waren. Täglich werden die Wurfmaschinen auf ihre Tauglichkeit hin überprüft, und oft lädt Ritter Henrik Svane zu beeindruckenden Ritterspielen. Das Mittelalterzentrum ist ein experimentierendes Museumscenter, das eine authentische Stadt vom Ende des 14. Jahrhunderts aufgebaut hat.“

    

Was die homepage nicht verrät, in Sundkøbing leben richtige Menschen genau so wie im 14. Jahrhundert. Die leben und arbeiten hier, nur wir kommen aus einer anderen Zeit zu Besuch. So kommst Du hin: www.middelaldercentret.dk/Tyskesider/wilkommen.html

   
Natürlich darf niemand die Vorführung der Wurfmaschinen auslassen, mit denen die Stadt "Sundkøbing" den Sundkøbingsund "kontrolliert". Gespannt wird die Schleuder über das Hamsterrad ... und dann, Findling frei!

   
Wir sind absolut begeistert, aber unsere Stegnachbarn, Ursel und Walter von der „Sprinz“, die ebenfalls in Heiligenhafen liegt, können wir nicht mehr für's Mittelalter erwärmen. Dafür erwärmen sie uns für die Ostsee, für lange Törns jenseits der Arbeit und schließlich wechseln wertvolle Tipps von der topp gepflegten Ole Enderlein rüber zur „Kalami“. Vielen Dank.

Der Guldborgsund von Nykøbing mit Blick zum Middelaltercentret


Sonntag, 20.08.06, Nykøbing – Femø

Wetter: SW-drehend 5

Nach leichtem Regen am frühen Morgen beim Ablegen gegen Mittag eitel Sonnenschein. Eine ruhige Motorfahrt schiebt uns durch den sommerlichen Sund gen Norden, nur in Höhe von „Sundkøbing“ werden wieder Findlinge aus dem Mittelalter ins 21. Jahrhundert geschleudert. Später, kurz nach der Querung des Autobahntunnels, begegnet uns endlich mal ein Kümo und als die Guldborgsundbrücke in Sicht kommt sehen wir etwa 20 m hinter uns den ersten Schweinswal. Zwei- oder dreimal taucht der kleine Tümmler noch auf, dann bleibt er verschwunden. Mit langsamer Fahrt nähern wir uns der Brücke und da wir allein vor der Brücke stehen melde ich mich über Kanal 6 an: „Guldborgsundbroen from Kalami“, und noch einmal, „Guldborgsundbroen from Kalami.“ Keine Antwort, auch über Kanal 16 keine Reaktion. 1400 Uhr und immer noch Mittagsschlaf? Bald 30 Minuten müssen wir warten, bis wir passieren dürfen, dann sind wir im Smålandsfahrwasser, die Ostsee hat uns wieder.

Wenig später kommt Wind auf und mit Groß und Genua legen wir uns mächtig ins Zeug, weil im Osten eine kräftige Gewitterwand droht. Bloß weg hier. Bald kommt Femø in Sicht, die Insel die aus der Vogelflugperspektive an Afrika erinnert und ganz anders als am Kap der Guten Hoffnung, dass ich ja Ende der Sechziger mehrmals passieren durfte, müssen wir hier sehr behutsam navigieren, es gibt sehr viele Flachs mit Wassertiefen unter einem Meter.

Foto aus dem www - Verfasser unbekannt

Um 1700 Uhr sind nach knapp 20 sm die Leinen auf Femø fest. Neben uns die „Likedeeler“ mit einem Einhandsegler aus dem Lipperland, der am ersten Tag seiner Altersteilzeit für Monate auf die Ostsee ging und sich nur noch einsam fühlte. Später an Backbordseite ein Ehepaar, das vor ein paar Stunden noch tief in einem Gewitter steckte und nach acht Wochen Ostsee ganz schnell nach Hause will. Was ist denn hier los?

    

Wir erfahren lieber erst einmal die 11 qkm kleine Insel mit ihren 180 Einwohnern – mal abgesehen vom Femø Jazzfestival, das Anfang August Tausende Besucher auf die Insel zieht. Natürlich liegt die dem Heiligen der Seefahrer und Fischer gewidmete St. Nikolei Kirche auf unserer Route.

    

Nach knapp zwei Stunden sind wir einmal Rund Femø. Die Tour ist mit Höhen, Tälern und den beiden Inseldörfer Sonderby und Nørreby, mit dem berühmten Kro, ungewöhnlich hügelig. Vor langer Zeit wurden Grund und Boden der Insel so geteilt, dass die Felder der einzelnen Höfe sternförmig von den Dörfern im Zentrum ausgehen.


Montag, 21.08.06, Femø – Korsør

Wetter: SW um 4, rechtdrehend, Gewitterböen, strichweise diesig

Bevor wir ablegen musst Du wissen, dass sich Femø allein schon wegen der nagelneuen sanitären Anlagen lohnt. Ich hoffe, wir Segler wissen das zu schätzen. Kostenlos duschen, keine Karte, keine Polletten, nix! Warum nicht überall so. Frisch gereinigt bekommen wir überraschend Besuch von Ursel und Walter von der „Sprinz“. Gestern hatten sie gemütlich im Femø Kro gesessen (wolltet ihr nicht woanders hin?) und uns vorbeiradeln lassen, heute trennen sich unsere Kurse endgültig - leider.

Mit dem 1. Reff im Groß laufen wir aus und segeln ab sofort Jenseits von Afrika. Läuft es gut, segeln wir nach Korsør, läuft's nicht bis Agersø oder Omø. Und es läuft gut, abgesehen davon, dass wir viel zu dicht an Femøs Westküste vorbeischrammen. Und weil der Wind westlich und nicht südwestlich einfällt, können wir gerade noch einen Anlieger segeln, pendeln uns bei 40 – 45° zum Wind ein und schon bald lassen wir die winzige Insel Vejrø an Backbord. Der Hafen ist in diesem Jahr wegen Bauarbeiten geschlossen, schreibt die Yacht, der Inselbesitzer hat ganz andere Probleme, munkeln einige Yachties.

Wir kommen gut voran, sind mit 5 Knoten unterwegs, sodass wir Kurs auf den Agersøsund nehmen. Eben an Steuerbord voraus eine riesige Raffinerie, Backbord voraus die Insel Agersø und aus West schiebt sich eine mächtige Wolkenwand auf uns zu. Gewitterböen hatte der Wetterbericht dummerweise angekündigt, nun ist es also so weit. Als der Regen einsetzt gehen wir zu unserer Sicherheit noch einmal alles durch … aber das Gewitter zieht wieder einmal hinter uns durch. Keine Böen, kein Blitzschlag, Glück gehabt. Als Regen und Wind einschlafen taucht über Agersø die Große-Belt-Brücke auf, die Storebeltbroen. Um 1700 Uhr bergen wir die Segel, starten die Maschine, haben endlich mal 50 m Wasser unter dem Kiel und lassen uns von einem Regenbogen von Agersø bis Korsør lotsen. Sjælland begrüßt uns nach 25,4 sm um 1840 Uhr sehr farbenfroh in Korsør. Noch eine Tagesreise bis Samsø?

Im Sommer treffen sich zum Sonnenuntergang alle Fotografen am Restaurant des Yachthafens. Dann gibt es nur noch ein Motiv:

Wer bewegte Bilder von Korsør sehen möchte folge dem kommunalen Link (ein Klick über diese Seite funktioniert leider nicht) www.korsoer.dk/archive/VIDEO/Kors%F8r_Kommune_medium.wmv


Dienstag, 22.08.06, Korsør

Die Stadt ist wirklich eine Reise wert, da kann die Nato-Flotte gleich nebenan noch so viel Abschreckung verbreiten. Natürlich entwickelt auch Korsør den typisch dänischen Kleinstadtcharme, hat Korsør seine wunderbare maritime Geschichte zwischen Fyn und Sjælland, zwischen Belt und Nor, Festung und Kongegården und wird dennoch nur von einem Bauwerk dominiert, von der Storebeltbroen. Und Halskov dürfen wir nicht vergessen, die untrennbar mit Korsør verbundene zweite Stadthälfte. Wer sich vom Yachthafen auf den Weg zur Brücke macht, den alten Bahnhof oder das Brückenmuseum besichtigen will landet in Halskov. Und weil das Brückenmuseum ausgerechnet heute, dafür aber jeden Dienstag geschlossen ist, habe ich lange im www nach den spannendsten Fotos der Storebeltbroen gesucht. Guckstu hier, loggst Dich ein und singst ein Loblied auf die Technik, garantiert: www.sundogbaeltfoto.dk/search/categories.php?search=1

    

    

Mittwoch, 23.08.06, Korsør – Ballen, jedoch zwingt uns ein "Umweg" nach Nyborg

Wetter für Belte und Sund W – NW 4 – 5, Schauerböen, vereinzelt Gewitter; Kattegat NW 3 – 4, zunehmend 5, Gewitterböen

Weil es schon im Hafen mit 4 – 5 Bft weht, nehmen wir gleich das Groß ins zweite Reff. Um 1215 Uhr verlassen wir Korsør, erhalten über Kanal 11, Great Belt Traffic, die Erlaubnis für die Brückenpassage direkt neben dem Hauptfahrwasser und damit geht ein großer Wunsch in Erfüllung. Draußen steht ein ziemlicher Schwell, noch unter Motor stampfen wir uns bei einer See von etwa 1,5 m manchmal fest. Als wir dicht am Hauptfahrwasser das gereffte Groß und die Fock setzen haben wir Wind und Strom beinahe von vorn. Die Logge signalisiert vier, das GPS einen Knoten!? Wir haben drei Knoten Strom gegenan – und den Wind von vorn! Wie in Zeitlupe bewegen wir uns auf die Brücke zu, obwohl es um uns herum, bei glatten 5 Bft. knattert, pfeift und gurgelt.

Vielleicht sind es gerade die rauen Bedingungen, die diese Brückenpassage so reizvoll machen. Und dennoch, selbst bei 65 m Durchfahrtshöhe schleicht sich das Gefühl ein, unsere 14,5 m hohe Mastspitze könnte an der Brücke kratzen. Nur zwei Rennyachten (Zwölfer), die schnell aufkommen und bald weit voraus sind, sind ebenso auf Nordkurs wie zwei Massengutfrachter. Den rwK 331° auf die Ansteuerung Ballen können wir nicht immer halten. Der Wind nimmt weiter zu und die See baut sich inzwischen 2 m hoch auf. Tapfer bolzen wir weiter gegenan, auch wenn das GPS noch 12 Std. bis Ballen signalisiert und eine halbe Stunde später 13 Stunden daraus werden. Wir kommen kaum voran und der Windmesser erklärt, dass dies bei gelegentlich 7 Bft. auch kein Wunder ist - die Fotos (unten) sind aus dem Video.

Um 1515 Uhr entscheiden wir, mit Halbwindkurs nach Nyborg abzulaufen. Wir wenden, schieben gleich eine stabilere Lage, passieren schon bald die winzige Insel Sprogø, gleich darauf den wenig spektakulären Weststeil der Storebeltbroen und erreichen um 1815 Uhr Nyborg. Nach 6 Stunden zeigt die Logge 25 sm Fahrt durchs Wasser. Der „kurze Dienstweg“ über den Großen Belt hätte uns gerade mal 10 sm abverlangt. Nun also überraschend Nyborg . Nyborg haben wir ja schon im letzten Jahr ausführlich kennen gelernt und deshalb reicht ein kurzer Abendspaziergang entlang der „Hafenstraße“ damit wir zum Wetterbericht wieder an Bord sind.

 


Donnerstag, 24.08.06, Nyborg – Ballen

Wetter für Belte und Sund: W – NW- 4 – 5, abnehmend 2 – 3, SW drehend; Kattegat: N - NW 4 – 5, abnehmend 2 – 3

Es ist so ermutigend, auf Seeleute zu treffen, die mich auf das nächste Jahr einstimmen: Ein Paar aus dem Bergischen Land segelt nach getaner Arbeit im ersten Jahr „Langzeit“ und wundert sich, wie gut sie miteinander klar kommen. Nach vielen Jahren Holland haben sie nun endlich die Ostsee vor sich und sind davon ebenso begeistert wie von ihrer Bavaria 890. Beinahe zeitgleich legen wir ab und passieren ein drittes Mal die Brücke, doch dann nimmt die Bavaria Kurs auf Kerteminde und wir verabschieden uns mit Kurs auf Ballen/Samsø.

 
   

Was schert das Wetter die eigene Vorhersage. Vielleicht kann von 2 Bft. die Rede sein und so wird die Reise nach Ballen beinahe zur Langfahrt. Gleich nach der Brücke eine Lektion Segelkunde, als wir nahezu auf Vorwindkurs die Genua mal mit, mal ohne Groß testen, mal auf Raum oder Vorwindkurs unterwegs sind. Außerdem geht der Skipper endlich mal baden, wird wieder ein Schweinswal gesichtet und kehrt der Sommer an Bord zurück

Ab 1800 Uhr schalten wir den Motor dazu, damit wir Ballen noch bei Tageslicht erreichen. Nordöstlich Korshavn kreuzen zwei Riesentanker unseren Kurs, wir sehen die Windmühlen vor Samsø und langsam taucht neben dem Getreidesilo von Ballen auch der Hafen auf. Um 2035 Uhr sind wir endlich drin und finden ganz am Ende der Nordole einen freien Platz. Passen wir dazwischen? Sind das 9,95 m für „Kalami“? Am Ende sind es wohl 10,50 m und wir dampfen nahezu perfekt in die Spring. Nahezu, weil Sabine die Spring zunächst nicht mitfiert, aber dann gelingt nach insgesamt 142 sm Hinreise doch noch ein beeindruckender Anleger. Gelernt ist gelernt.

Was für eine Stimmung im Hafen. Es ist wunderbar warm, die Sonne verabschiedet sich und hinter den Fischerhütten spielt jemand Gitarre. Dazu wird mal englisch mal dänisch gesungen – sind das wirklich die Fisher? Okay, vielleicht mit ein wenig Verstärkung oder haben wir uns in die Karibik gebeamt? Die frühe Sommernacht klingt mehr nach St. Lucia als nach Kattegat. Eigentlich fehlen nur noch Steeldrums drüben aus dem „Dokken“ und ein mit Rastazöpfen bewaffneter Hafenmeister der die Havnepenge in fuckin' Yankeedollar kassiert. „Wollt ihr 'n joint“, fragt er noch. „Nej tak“. Was noch? Brandungsgeräusche wehen über die Mole. Sabine würde sich am liebsten auf's warme Teakdeck legen, in die Sterne schauen … und genau das tun wir. Weißt Du wie viel Sternlein stehen … egal, bis St. Lucia sind es 11.000 sm. So fühlt sich Urlaub an.

 


25. - 29.08.06: Wunderbares Samsø

Auszüge über die vier Häfen aus Sejlerens:

Ballen Samsø. Der Hafen war ursprünglich ein Fischerei-, Fähr- und Verkehrshafen. Heute jedoch wird in den Sommermonaten das große Hafenbecken völlig von Seglern dominiert. Nur das innerste Becken ist den Fischern vorbehalten. Im Ort mit vielen Geschäften und Speiselokalen herrscht eine lebhafte sommerliche Stimmung. Der »Alte Kaufmannshof« in Ballen wurde restauriert und ist zu besichtigen. Unmittelbar am Hafen liegt das »Dokken«, ein eigenartiges Restaurant genau an der Stelle des alten Helgens.

 

Langør Samsø. Der Hafen Langør wurde 1995 von den Lesern der Zeitschrift »Bådnyt« zum besten Hafen Dänemarks nach den Kriterien Natur, Service und Hafenmilieu gewählt. Langør war bis 1880 Samsøs wichtigster Hafen. Der Hafen liegt im Stavns Fjord, der unter Naturschutz steht, und hat ein reizvolles Hafenambiente in schöner Umgebung. Schon während der Wikingerzeit war Langør en wichtiger Kriegshafen. Westlich von Langør liegt der heute zugeworfene Kanhave-Kanal, der 500 m lang und 11 m breit war. Der Kanal ermöglichte es den Wikingern, ihre Flotte von der West- zur Ostseite der Insel zu verlegen. In der Umgebung gibt es einen guten, kinderfreundlichen Badestrand und Naturpfade.

 

Mårup Samsø. Der Hafen ist ein Bootshafen, in gut geschützter Lage an der Westküste der Insel Samsø. Der gesamte Nordteil der Insel bietet reiche Gelegenheit für Ausflüge verschiedener Art. In kurzer Entfernung vom Hafen liegt der Ort Nordby, der mit seinen schönen alten Häusern und Höfen den Weg bestimmt wert ist.

 

Kolby Kås Havn Samsø. Tagsüber ist die alte Windmühle in den Hügeln nordöstlich des Hafens ein hervorragendes Peilzeichen. Achten Sie auf die Strömung vor der Hafeneinfahrt, die bis zu 1,5 Knoten erreichen kann. Die mittlere Mole ist dem Fährverkehr, das nördlichste Hafenbecken der Berufsschifffahrt vorbehalten. Der Hafen kann bei westlichen Winden unruhig sein. In solchen Fällen ist es am günstigsten, möglichst weit innen im südlichen Becken festzumachen. Der Hafen wurde im gesamten Becken auf 4 m ausgebaggert und kann Tag und Nacht angelaufen werden. Vertäuen an Heckpfählen oder längsseits an der Pier.

 

Ballen ist als Basislager für die Entdeckung der Insel zweifellos der beste Hafen, jedenfalls in der Nachsaison - am Wochendende geht's aber nur in sozialverträglichen "Päckchen". Wer Ballen verlässt klärt seine Versorgungslage am besten draußen vor der Tür. Überall am Straßenrand kleine "Marktstände", die rund um die Uhr geöffnet haben.

 
    
Auf Samsø wächst so ziemlich alles. Selbst Feigen haben wir in Besser direkt vom Baum gepflückt. Natürlich hat jeder Hof seinen Selbstbedienungsladen (rechts).

   

Eine der schönsten Ecken auf Samsø ist das Besser Rev, ein Naturreservat in einer einzigartigen Landschaft (links oben). Rechts daneben der Kanhavekanalen, mit dem die Wikinger vor 1200 Jahren die Insel an der schmalsten Stelle teilten. "Damals" war der Wasserstand der Ostsee höher als heute. Die Mühle (unten) stand ebenfalls in Besser, bis sie kurzerhand von einem Stummfilmregisseur gekauft und für Dreharbeiten abgefackelt wurde. Die Dorfbewohner mussten fassungslos zuschauen - ein schlechter Film.

 
Es gibt zum Glück auch hoffnungsvolle Lebenszeichen in Besser, wie z.B. diese kleine Primaballerina, die für ihren Auftritt eine anemessene Gage einstreicht. Mindestens eine halbe Stunde stand sie für diesen Auftritt am Straßenrand und lauerte ihr Opfer auf. Die Vokabel „Straßenkinder“ wird hier neu interpretiert.

 
Besonders typisch für Samsø sind die Berufsbezeichnungen der Hausbesitzer auf dem Dach - eins hab ich aus Kerteminde mit reingeschummelt.   

 

Der Naturhafen von Langør ist über einen Damm mit der Insel verbunden (oben). Wer einen ruhigen Hafen sucht, ist in Langør bestens aufgehoben. Die Kirche von Langør (unten links) und der Leuchtturm Vesborg Fyr, an der Südküste von Samsø.

 
Die dänischen Marinekutter "Svanen" und "Thyra" im Hafen von Ballen. Wir sind viel unterwegs. Auf der Langstrecke nach Nordby, ca. 20 km, nehmen wir die Klappräder sogar im Bus mit - zurück wird getrampelt.
    

Nordby bildet, wie der Name schon sagt, das Zentrum der Nordinsel. Touristisch bestens erschlossen ist es eins der schönsten Dörfer Dänemarks und damit ein quicklebendiges Museum. Ganze Busladungen oder Schulklassen sorgen für Stimmung und Unterhaltung.

Die Nordspitze der Insel bilden die Ballebjerge mit dem "Nordkap" Issehoved. Von hier hat man einen wunderbaren Blick rüber zur kleinen Nachbarinsel Tunø, nach Aarhus im Nordwesten, im Norden zu den Molsbjergen mit Ebeltoft. Diese Ziele hatten wir eigentlich auch noch auf unserem Plan, aber das kleinste Rathaus der Welt (Ebeltoft) werden wir eben später besuchen.

 

Es gibt noch so viel über Samsø zu erzählen, aber viel wichtiger sind uns die Begegnungen mit anderen Seglern. Wir trauen uns inzwischen hinzugehen, zu fragen und sind bisher nie enttäuscht worden. Stellvertretend dafür liebe Grüße an Petra Deimer und Hans-Jürgen Schütte mit ihrem Hanseat "Coccinella", Mona & Karl mit ihrer schnellen Eisvogel "Alcedinidae", Grüße an die namentlich unbekannten Segler der Rethana vom HYC, die Crew der "Seewolf" sowie Bärbel und Horst von der etwas bockigen "touch me".

 

 


Mittwoch, 30.08.06, Ballen - Kerteminde

Wetter NW 5 Bft.

Der Abschied von Samsø beendet ja noch nicht den Urlaub, trösten wir uns und Kerteminde ist ja auch ganz schön. „Draußen“ ist Super Segelwetter und wir düsen Raumschotkurs, den wunderbaren Hindsholm „abwärts“. Um 1730 Uhr erreichen wir nach 5 Stunden und 22 sm die Stadt der „Amanda“, des Malers Johannes Larsen, die Stadt mit dem Fjord- & Bæltzentrum und hier ist auch das Folkeboot zuhause.

 
Wir haben Kerteminde bei unserem letzten Aufenthalt buchstäblich lieben gelernt. Das schlimmste an Kerteminde ist das ausgezeichnete Vaffelhuset in der Trollegade 2 D, direkt neben der Pizzeria - die hat übrigens auch volkstümliche Preise.

 
Wer meine Sicht auf diese Stadt ausführlicher nachlesen möchte – Logbuch 2005 „Rund Fünen“. Gern hätten wir diesmal noch das Schiffsgrab von Ladby besichtigt, aber dafür reicht die Zeit einfach nicht. Etwa 3 km südlich von Kerteminde wurde vor 1000 Jahren ein Wikingerhäuptling mit Schiff, Pferden und Hunden in einem Hügel beigesetzt.

 


Donnerstag, 31.08.06, Kerteminde – Lohals

W 4 – 5, abnehmend 3 – 4, SW drehend

So lieben das die Seeleute. Ein konstanter Halbwindkurs treibt uns mit 6 kn die fün'sche Küste südwärts. Dabei passieren wir ein viertes Mal die Storebeltbroen, schicken einen Gruß rüber nach Nyborg und Korsør, aber langweilig, langweilig wird diese Brückenpassage bestimmt nie. Der frische Wind kratzt eher an 6 als an 3 Bft., dreht langsam auf Südwest, sodass aus dem Halbwindkurs immer mehr ein Anlieger wird.

 
Südlich der Brücke steigt die See wieder stärker ein, „Kalami“ schiebt um die 20° Lage und im Bereich des Vresenflach müssen wir wegen der Untiefen sorgfältig manövrieren. Es ist wirklich ein Vergnügen, unter diesen Bedingungen am Rad zu drehen. Die Sonne scheint, zeitweise sind wir mit 7 kn unterwegs, einfach geiles Segeln.

So könnte es weiter laufen. Viel zu schnell stehen wir vor der Hafeneinfahrt von Lohals. Immerhin 1,5 m Welle und 6 Bft. aus W versprechen in dem engen Hafen, den wir erstmals anlaufen, reichlich Adrenalin beim Anlegen. Es kommt tatsächlich so, denn im Hafen sind wir zwar gut vor Seegang geschützt, aber der kräftige Westwind drückt so stark, dass wir ein Wendemanöver noch gerade so hinbiegen und uns schließlich schützend in Lee einer 343 Najad „verstecken“ können. Da kommt man zu zweit - und im Mittelcockpit weit weg von den Achterleinen - beinahe an die Grenze.

Ein paar Minuten später entdecken wir Lohals. Naja, viel zu entdecken gibt's da nicht. Der frische und böige Wind treibt uns in ein Café und lockt uns schließlich doch in den wunderbar sanierten „alten“ Hafen. Hier ist mehr Platz zum Manövrieren und die niegelnagelneuen Duschen gleich um die Ecke. Beim nächsten Törn machen wir hier fest.

 
Danach gehen Hänsel und Gretel in nördlicher Richtung weiter und gelangen in einen fantastischen Wald. Die verschlungenen Wege führen an abgestorbenen Baumriesen vorbei oder immer wieder mal ans Ufer, mit Blick rüber nach Lundeborg/Fyn oder auf die Storebeltbroen im Norden. Mehr Panorama geht doch gar nicht und dennoch keine Spur vom bösen Wolf. Wir hätten ihn ohnehin nicht gehört - so laut haben wir im dunklen Wald gepfiffen. Darüber hinaus soll hier der edle Ritter Henrik Svane aus Sundkøbing, so wird jedenfalls gemunkelt, nach der Saison im Wald sein Unwesen treiben, aber das glaubt sowieso niemand.
   
 


Freitag, 01.09.06, Lohals – Spodsbjerg

Wetter SW – W 5, vorübergehend zunehmend, Schauerböen, etwas diesig

Wo ist das Sommerwetter? Es zieht immer mehr zu. Als wir ablegen setzt Sprühregen aus der Stratusbewölkung ein. Ein viel zu leichter Wind lässt die Logge bei 1,8 kn einschlafen und wir kriechen mühsam um Langelands Nordspitze. Bei 2 sm Sicht und direkt am Tiefwasserweg heißt es gehörig Ausguck gehen.

Ganz vorsichtig, wie Musik, die langsam immer lauter klingt, legt der Wind zunächst auf 4 Bft. zu und „Kalami“ bedankt sich mit 6 kn Fahrt. Selten begegnen uns weit entfernt andere Segler, nur eine Najad geht dicht hinter uns durch. So leise wie der Wind vorhin zugelegt hat mauschelt er sich ab Sandhage weiter auf 6 Bft. hoch. Da wir nicht ständig kreuzen wollen halten wir 45° zum Wind und driften damit immer weiter raus. Die See wird ruppiger und manchmal kracht das Vorschiff ins Wellental. Inzwischen kommt immer wieder Wasser über. Endlich reagiert die Besatzung, wendet und hält auf die Küste zu.

 
Unter Land treffen wir wieder auf die 360er Najad „Pintail“. Sind wir so schnell oder die so langsam? Das wollen wir natürlich wissen und nehmen die Einladung zu einer unsichtbaren Regatta dankend an. Was für ein Spaß. Die „Pintail“ läuft ein wenig höher, „Kalami“ ist dagegen minimal schneller und bis Spodsbjerg ist es nicht mehr weit. Ist das spannend. Manchmal scheint uns die „Pintail“ wegzulaufen, dann sind wir wieder vorn (siehe oben, die "Pintail" im Rückspiegel).

Beim Segelbergen vor dem Hafen von Spodsbjerg ist wiederum die Crew der „Pintail“ schneller und zu dritt natürlich auch früher zwischen den Pfählen. Später verständigen wir uns an Bord der „Pintail“ auf ein Unentschieden, lernen Peter mit seiner sympathischen Crew und ein beeindruckendes Schiff kennen. Der Gedanke an eine 360er Najad lässt mich seitdem nicht mehr so ganz los, der Kaufpreis beamt mich dagegen schnell wieder in's richtige Leben.
    

 
    

Der Spodsbjerg Turistbådehavn bietet, was Segler und Angler brauchen. Die lange Straße zur Fähre mit ein paar Häusern dran entwickelt keinen besonderen Charme, aber vielleicht ist es auch das nasskalte Wetter, dass Spodsbjerg auf der Beliebtheitsskala nicht unter die Top 30 bringt. Am gemütlichsten ist es wohl an Bord oder im Kro. Dorthin verschlägt es die Pintailcrew, wir drücken uns die Nase an den Schaufenstern der Anglerläden platt und sind früh in der Koje.


Samstag, 02.09.06, Spodsbjerg - Heiligenhafen

Wetter für Belte und Sund: SW – S 3 – 4, zunehmend 5, Westliche Ostsee: S 3, später 5.

Der letzte Segeltag beginnt mit dem "Besuch" einer kriminellen Vereinigung: Notgedrungen müssen wir das Frühstück mit ca. 50 Wespen teilen. Nein, mehr sind es nicht, ich hab die Bande auf einem Foto gezählt. Willste die Biester mal sehn?

 
Vergisses, wichtiger ist, dass sich die Sonne hin und wieder gegen den Nebel durchsetzt. Als wir ablegen ist es noch immer diesig, auf dem Wasser beträgt die Sicht eine knappe Meile. „Natürlich“ kommt der Wind mal wieder von vorn, aber während ich das schreibe erinnere ich mich, welch wunderbare Windbedingungen wir während dieser Reise hatten. Also, heute kommt der Wind von vorn und da er später auf S drehen soll, segeln wir zunächst einen langen Schlag rüber nach Lolland, damit wir von dort auf Anliegerkurs gehen und uns von der Berufsschifffahrt freihalten können.

Wir sind sehr langsam unterwegs, passieren den Tiefwasserweg, sehen die Großschifffahrt manchmal schemenhaft wie Geisterschiffe, bis vor uns die schmale Landzunge von Albuen/Lolland auftaucht. Während wir unsere Position in der Karte markieren wird klar, dass wir beinahe 2 kn Strom haben, der nordwärts setzt. So wenig Wind und so viel Strom? Damit haben wir nicht gerechnet. Nun auf SW-Kurs treten wir beinahe auf der Stelle, bis uns um 1440 Uhr ein Geräusch alarmiert. Ein Schweinswal? Wieder das typische „Luftschnappen“ und dann sehen wir den kleinen Tümmler noch zwei- dreimal auftauchen. Die Mobtaste des GPS registriert 54° 51'02'' N; 010° 55'57'' O, die Kamera hatte keine Chance, den selten gewordenen Meeressäuger „einzufangen“.

Eine halbe Stunde später beinahe eine Kopie, diesmal auf 54° 49'44'' N; 10° 54'00'' O. Vermutlich ist es derselbe Außenbordskamerad, der nur meine Sportlichkeit testen will, zwei- dreimal auftaucht und als ich endlich die Videokamera zur Hand habe verschwindet. „Es ist Schweinswalwetter“, flüstert Sabine leise, damit wir bloß kein Geräusch verpassen.

Was ist mit unserem Tempo? 2 – 3 Bft. aus S, weiterhin 2 kn Strom gegenan und immer noch Albuen an Backbord; Fahrt über Grund 0,5 kn! Die Arbeitsfock muss runter und die Genua für mehr Vortrieb sorgen. Segelwechsel. Bei dem Wind kein Problem, aber ausgerechnet jetzt schon wieder ein Schweinswal? Tatsächlich, wieder das typische „Luftschnappen“, dann nochmal und daneben wieder, es sind mehrere „Marsvine“ – wir sind schließlich in dänischen Gewässern unterwegs. Ist das eine „Schule“? Vier oder fünf Schweinswale ziehen langsam in West-Ostrichtung durch unser Kielwasser. Vielleicht sind sie 20 m entfernt und diesmal läuft die Kamera mit und hält diesen Moment ganz sicher fest. „Kommt näher“, flüstert der Kameramann und hat in Gedanken schon den Videopreis beim Wettbewerb der Gesellschaft zum Schutz der Meeressäuger (GSM) in der Tasche, als noch ein Nachzügler dem Kurs der „Schule“ folgt. Um 1530 Uhr ist die Show vorbei, das GPS zeigt 54° 49'20'' N; 10° 53'77'' O. Was für ein seltenes Glück. Folgt man der GSM-Einschätzung, dass in der Ostsee noch ca. 600 vom Aussterben bedrohte Meeressäuger leben, so haben wir eben 1 % davon gesehen.


Dieser Clip ist ein Zusammenschnitt verschiedener Schweinswalsichtungen unserer Segelreise nach Samsø und ein Wettbewerbsbeitrag für die GSM dazu. Vermutlich hat dieses Video Platz 6 von sechs eingereichten Beiträgen erhalten - hierzu outet sich die GSM leider nicht.

Zum Thema Schweinswale gibt es die weiter führende Seite, Wal-TV. Bitte den Button ganz unten links unter Logbuch anklicken.

Mit der Genua werden wir endlich schneller und mit dem richtigen Segeltrimm läuft „Kalami“ wie auf Schienen. Während „Kalami“ also allein Kurs hält trinken wir Kaffee und überprüfen im Display des Camcorders die Show der „Braunfische“, so werden Schweinswale auch genannt. Haben wir vielleicht noch mal Glück? Denkste! Gegen 1800, wir stehen kurz vor dem Kiel-Ostseeweg, kündigt eine bedrohliche Wolkenwand extrem schlechtes Wetter an. Der Wind bleibt nun ganz weg, die Segel sind runter, der Motor läuft und als sich der wolkenbruchartige Regen nähert, legen wir Schwimmwesten an, schalten Kanal 16 ein, doch auf UKW herrscht Funkstille. Wir schließen die Kuchenbude und halten gehörigen Ausguck. Die Position und Richtung der Großschifffahrt habe ich mir eingeprägt wie nie. Aktuell besteht also keine Gefahr. Als sintflutartiger Regen einsetzt und wie aus Eimern schüttet sehen wir nur noch Wasser. Es ist beinahe dunkel und die Sicht auf 20 m runter. 20 m und das unmittelbar vor dem Kiel-Ostseeweg. Spannung kommt auf und als der Regen nicht nachlässt Hochspannung. „Du beobachtest nur die Backbordseite, ich übernehme Steuerbord“, höre ich den Skipper. Hoffentlich sieht uns die Großschifffahrt und dass Radargeräte bei Starkregen nur noch Echos auf ihrem Monitor haben, durfte ich beim SSS selber lernen. Die haben's auch nicht leicht mit uns. Nach einer gefühlten Stunde, in Wirklichkeit waren es 15 Minuten, ist der Spuk vorbei, klart das Wetter auf. Wir haben wieder Durchblick.

 

Fehmarn kommt in Sicht und als es ein zweites Mal dunkel wird segeln wir bei Jimi Hendrix vorbei. Das alljährliche Love & Peace Festival, in Erinnerung an den großen Meister, traditionell am ersten Septemberwochenende, also gerade jetzt da drüben. Wolf Maahn spielt heute Abend, Mungo Jerry und Taste wurden für das Festival wieder ausgegraben und die hab'n vorhin keinen nassen Arsch gekriegt? Inzwischen ist das Feuer von Flügge querab und die Lichter von Heiligenhafen voraus. Gleich sind wir wieder zuhause. Der kleine Heiligenhafener Leuchtturm lotst uns sicher am Graswarder vorbei in den weißen Sektor und übergibt "Kalami" an die Richtfeuer des Fahrwassers. Um 2140 Uhr sind wir mit insgesamt 250 sm im Kielwasser wieder im Heimathafen. Besser geht's nicht.
 
PDF | 2,78 MB Segeln jenseits von Afrika - mit "Kalami" nach Samsø (2,78 MB)