Montag, 21. Mai 07

Wetterbericht: Umlaufend 2 – 3, später NW 3

Ein paar schöne Tage stehen in diesem sommerlichen, heißen Mai ins Haus. Und vor allen Dingen wollen wir endlich das Trauma Neustadt knacken. Einer der schönsten Häfen an der Ostsee und wir waren immer nocht nicht da. Entweder kam uns ein Gewitter in die Quere und wir „strandeten“ in Grömitz, saßen in Großenbrode im Nebel fest oder wir hatten einfach zu viel Wind von vorn. Dass wir Neustadt heute nicht mehr erreichen werden ist klar, immerhin haben wir bereits 280 km Autobahn mit einer neuen Baustelle erfahren – Fahrbahnerneuerung auf der A1 am Maschener Kreuz = 30 Minuten Stau.

Wir sind also später dran und deshalb wollen wir wenigstens die kleine Etappe bis Großenbrode segeln, am Dienstag dann weiter nach Neustadt. Sabine erklärt sich zur Skipperin und als das Landstromkabel verstaut und die Leinen los sind tuckert „Kalami“ um 1705 Uhr langsam rückwärts aus der Box. Was'n das? Die Maschine stottert plötzlich, läuft, stottert weiter und geht plötzlich ganz aus. Ich erwische gerade noch slapstickmäßig den Heckpfahl - und kann das Boot festhalten bevor wir manövrierunfähig durch den Hafen trudeln - and „with a little help from the neighbours“ ziehen wir „Kalami“ wieder in die Box. Das war wohl unsere bisher kürzeste Reise, aber was ist da passiert?

Nach dem Winterlager hatte ich den Treibstofffilter ausgetauscht und entlüftet, aber offenbar nicht gründlich genug, es ist wohl immer noch Luft in der Leitung. Also wieder ran an den spritzigen job, denn beim MD11C spritzt Diesel nahezu unkontrolliert durch den Maschinenraum. Es stinkt nach Diesel und dann läuft der Jockel endlich wieder … und geht doch wieder aus. Zwei- dreimal wiederhole ich diesen Scheißjob und nach ner Stunde ist es endlich geschafft – wir aber auch. Heute laufen wir nicht mehr aus, beschließen wir. Dann eben Morgen ohne Zwischenstopp in Großenbrode direkt nach Neustadt.

Dienstag, 22. Mai 07

Wetterbericht: W – NW 2 – 3

Endlich wieder mal ausgeschlafen, Traumwetter, dazu Zeit, Frühstück am schönsten Platz der Welt – wir haben wirklich ein wunderbares Cockpit und die Aussicht auf einen schönen Segeltag. Um 1130 Uhr legt Sabine gekonnt ab. Der Volvopenta tuckert entspannt vor sich hin, der Treibstofffilter filtert, die Wasserpumpe pumpt und ich habe alle Hände voll zu tun, die Leinen aufzuschießen und Fender zu verstauen. Im Fahrwasser sind auch die Segel klar zum Setzen. Neustadt, wir kommen.

Dann fällt mein Blick auf die Temperaturanzeige der Maschine und die ist sowas von knallrot. Alarm! Kurzerhand greife ich der verblüfften Skipperin ins Handwerk. Maschine aus und Genua setzen in Sekunden. Aufgeregte Wortwechsel und plötzlich aufgeheizte Stimmung an Bord, aber wir haben den Wind beinahe von achtern und die Genua zieht uns gemächlich Richtung Fehmarnsund. Vorsichtige Entwarnung also zunächst, wir haben alles im Griff. Während Sabine "Kalami" durch die Fahrrinne steuert, öffne ich den Motorraumdeckel – Ursachenforschung. Heiße Luft schlägt mir entgegen, aber auf den ersten Blick kann ich nichts entdecken, kein geplatzter oder abgerutschter Schlauch, die Bilge ist trocken und dann plötzlich Sabine von oben: „Wir sitzen fest!“

Ach du Scheiße, das darf doch nicht wahr sein. Motordeckel zu, Genua ratzfatz rein und die heiße Maschine wieder an, eine andere Chance gibt's doch nicht. Voll zurück zieht uns die überhitzte Maschine tapfer vom Sand. Vorsichtiges Aufatmen und dann lassen wir den Diesel weiter laufen, langsamste Fahrt. Sabine will in eine Werft, ich will segeln (und vermute, dass dem Kühler lediglich Kühlwasser fehlt, weil der Seewasserkreislauf nach wie vor läuft. Das können wir bei 2 - 3 Bft. auch locker auf See beheben). An dieser Stelle blende ich die überhitzte Diskussion zwischen Skipperin und Skipper mal für die Öffentlichkeit aus, wir gehen in die Werft, basta!

Da hinten saßen wir auf Sand ...
    

... und erreichten aus eigener Kraft den rettenden Hafen

Inzwischen haben mitlaufende Yachten unsere sonderbaren „Manöver“ bemerkt und eine LM 30 eskortiert uns bis zur Einfahrt in die Stranhusener Werft. Vielen Dank. Hier sind wir in Sicherheit und der Diesel kann erst einmal abkühlen. Das Handbuch wird befragt, aber außer einem defekten Thermoventil gibt es keine schlüssige Erklärung. Also besser jemanden fragen, der was davon versteht, da sind wir blank.

Der betagte Volvopenta MD 11 C ...
    

... und sein noch betagteres Kühlsystem.

Der Strandhusener Werftchef, lässt nur die Zündung einschalten, öffnet den Kühler, beobachtet, riecht, schmeckt und kreist die Ursache mit allen Sinnen ein. Zur Kontrolle der sensorischen Erkenntnisse wird der Kühler abgedrückt und dann ist klar, die Zylinderkopfdichtungen sind hin und dadurch gelangt Öl in den Kühlkreislauf. Eine Reparatur wäre viel zu teuer und unwirtschaftlich, der 27 Jahre alte Motor ist am Ende. Dabei hätten wir Stein und Bein geschworen, dass der ewig hält. Der ist so zuverlässig angesprungen und gelaufen. Dann wird verhandelt, gefeilscht und der Werftchef vermittelt uns das Gefühl, wir würden seine Werft glatt in die Insolvenz treiben. Dabei sitzen wir doch in der Falle, denn ohne Maschine kommen wir hier nicht mehr raus. Also unterschreiben wir einen Auftrag (keinen Kostenvoranschlag). Maximal drei Tage veranschlagt die Werft ab Montag nächster Woche und da ich endlich mal ein Motorpraktikum machen würde, wäre ich so gern mit dabei.


23. - 25. Mai 07

Auf der Segelreise nach Neustadt scheint wirklich ein Fluch zu liegen. Wir kommen zwar jedesmal weg, aber auch beim vierten Anlauf nicht in Neustadt an. Am Dienstag nehmen wir aus Verzweiflung das Auto, damit wir Deutschlands schönsten Seglerhafen (Selbsteinschätzung Neustadt i.H.) endlich selbst besuchen können. Ja, dort ist es auch sehr schön, aber die Fotos aus Neustadt zeige ich erst wenn wir mit dem Boot hinfahren, dies ist schließlich ein Logbuch. Es folgen traumhafte Tage und der Liegeplatz ganz am Rande der Werft ist ja auch ganz schön. Es ist absolut ruhig am Steg und wir haben plötzlich alle Zeit der Welt.

Urlaub am Strand ...
    

mit solchen Ausblicken.

Wir machen Urlaub in unserer Ferienwohnung "Kalami" auf der Stranhusener Werft, mutieren zu Stegseglern die morgens joggen, sich am Strand vergnügen, Erwin und seine Familie besuchen, die im alten Leuchtturmwärterhaus wohnt und die Southerly 105 "Nicar" gern verchartert (und uns mitsamt seinem Charterbetrieb gleich zum Verkauf anbietet).

Abends Stimmungen und Sonnenuntergänge vom Feinsten. Wir sind ja ganz allein in der Werft und genießen die Stille - so wie auf dem Bild unten.


Nachklapp:

Die Strandhusener Werft hat es wirklich schwer. Zunächst wird der Motor (Vetus M3.28) nicht pünktlich geliefert und damit kippt mein "Praktikumstermin" (oder sollte ich nicht dabei sein?). Dann fehlen Einbauteile und zuletzt bemerkt die Werft, dass bei der Kalkulation das Anschlusskit für den Boiler vergessen wurde, eine Treibstoffrückleitung eingebaut und das "Schnüffelventil" ausgetauscht werden muss. Der Auftrag muss um einen vierstelligen Betrag aufgestockt werden, was mir den Spaß an der Zusammenarbeit mit dem Werftchef ziemlich verdirbt. Dass der Propeller (natürlich) nicht mehr passt und ausgetauscht werden muss, nach der "Übergabe" 1,5 Ltr. Diesel in der Bilge schwappen, die neue Maschine beim ersten Törn auf hoher See (siehe unten) nicht anspringt und der Boiler erst am Tag der Übergabe an die Käufer angeschlossen wird ist schon eine Zumutung. Nach einer Woche sollte alles fertig sein, aber diese Werft braucht glatte sechs Wochen. Verständnis für die Kritik der Eigner zeigt die Werft leider nicht, im Gegenteil, Rechtfertigungen ohne Ende. Bei einem fünfstelligen Auftrag darf man nicht nur das erwarten.

Bleibt der Trost, dass "Kalami" mit der neuen Maschine wieder zu einem für Käufer interessanten Schiff geworden ist.