2001
Und so beginnt unser Logbuch:
Sonntag | 11.08.01 | Steg 30/37 | Barometer |
Wind aus West | 2-3 Beaufort | 23° | Wechselnd bewölkt, heiter |
Auslaufen um 15.00 | Logge beim Auslaufen | Rückkehr um 16.30 | Logge bei Rückkehr |
Skipper Ralf | Crew Sabine | Herr Schmude |
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Wir verholen unter Motor zum Segel setzen an die Achterpfähle von Steg 31 und mit der ersten Halse bringen wir Herrn Schmude zurück an den Steg. Nach der Verabschiedung sind wir nun allein auf unserem Boot und lassen die Korken knallen. Wir denken bei diesem Ritual automatisch an unseren SKS-Skipper Jürgen und natürlich bekommt auch Neptun seinen angemessenen Schluck. Wir freuen uns nicht nur riesig über unser Boot sondern auch über die Entdeckung neuer und bisher unbekannter Gefühle, denn auf dem Schiff lässt Du alles hinter Dir und wenn das Land hinter dem Horizont verschwindet bist Du soooo weit ...
Plötzlich haben wir ein Traumschiff, sind selber Skipper und, wie vor ein paar Wochen auf der Kieler Förde, schon wieder mit Sekt und Segelschiff unterwegs. Wir sind allein mit dem Steinhuder Meer und damit nichts schief geht fahren wir ganz vorsichtig am Wind und immer nur gerade aus. Nicht einmal die erste Wende will gelingen. Das bisschen Wind lässt uns nicht durch, denken wir, aber dann gelingt die Wende doch und wir segeln auf Gegenkurs auf unseren „neuen“ Hafen zu. In der Ferne bietet das Clubhaus eine gute Orientierung und leicht finden wir unseren neuen Steg im Segelclub Mardorf. Ganz vorsichtig machen wir in unserer Box fest. Alle Manöver gelingen. Wieder eine kleine Reifeprüfung bestanden. Am Steg spleiße ich, so wie ich das als Matrose auch gemacht habe, die Ruckfender in die neuen Festmacher. Das sieht richtig seemännisch aus und so nehmen wir „flexibel“ langsam in Besitz. Sabine richtet unterdessen unser „Zuhause“ ein.
„Dann wollen wir ’mal einen Probetörn segeln“, ermuntert uns Herr Schmude, „Sie nehmen die Pinne!“ „Ich, steuern? Ich hab’ noch nie so ein Boot gesteuert“, denke ich, „aber bei dem bisschen Wind wird das kein Problem,“ beruhige ich mich. „Haben sie was dagegen wenn mein Stegnachbar mitfährt“? „Nein, haben wir nicht“, antworte ich so als sei die Varianta bereits unser Boot.
Bei zwei Beaufort aus West laufen wir zuerst „elektrisch“, dann unter Groß und Fock aus. Die Varianta lässt sich ja leicht steuern, freue ich mich. Wir segeln auf Amwindkurs Richtung Wilhelmstein. Es ist schwachwindig, regnerisch, aber noch bleibt es trocken. Doch achteraus bezieht sich der Himmel plötzlich dramatisch schnell, eine Gewitterfront kündigt sich an. Die Warnleuchten, die jetzt bei 6 Bft. am Ufer anspringen, signalisieren Starkwind und der kommt denn auch in Böen bis 7 Bft. Wenige Minuten später blitzt, donnert und schüttet es wie aus Eimern. Das Schiff legt sich auf die Seite, doch Herr Schmude bleibt ausgesprochen gelassen und der Rudergänger (das bin ich), der mit breiter Brust steuert, zeigt sich nach außen hin ebenso unbeeindruckt. Nach innen überschlägt er sich vor Freude. Der erste Ritt übers Wasser wird ein einziges Vergnügen, zumal der Skipper kurz vor den Böen noch ein Reff ins Großsegel gebunden hat. Wenn es wirklich eine Beziehung zwischen Schiff und potentiellem Skipper gibt, dann ist sie hier entstanden. 15 Minuten später ist der Spuk vorbei, die Gewitterfront durch. Ich auch.
Ich bin klatschnass, überglücklich und werde trotzdem gelassen bleiben, schließlich wollen wir später, von diesem Törn „völlig unbeeindruckt“, über den Preis verhandeln. Wir klären Herrn Schmude darüber auf, dass wir noch heute am Lippesee ein zweites Boot besichtigen werden, aber an seiner „flexibel“ großes Interesse haben. Per E-Motor schieben wir uns durch die Flaute zurück an den Steg. Die Verabschiedung verläuft sehr verhalten, denn Herr Schmude hatte sich auf einen Segeltag eingestellt und nicht auf eine Segelstunde.
Sabine konnte sich während des Gewitters in die Kabine verziehen und wird längst nicht so nass wie ich. An mir ist nichts mehr trocken, ich friere und auf dem Weg zum Auto läuft mir das Wasser immer noch in die Schuhe. Weil wir inzwischen so spät dran sind, düse ich unterwegs, nur mit nassem Hemd und in Unterhose, in die nächste Telefonzelle, um Herrn Post die Verspätung anzukündigen. Natürlich werden meine Unterhose und ich von einigen Passanten mit verständnislosen Blicken in den nächsten Knast befördert. Ich sehe wohl auch ziemlich verboten aus, aber im Verkehrsstudio wird nicht nach einem verwirrt aussehenden Mann, ca. 1,76 m groß, mit nassen Haaren in aufregend kurzer Hose gefahndet. Bis zum Lippesee erwärmt mich die voll aufgedrehte Heizung, eine dicke Jacke und meine Hose muss auf dem Autodach trocknen - wir haben sie in die Seitenscheibe geklemmt. Langsam taue ich wieder auf, komme zu trockener Kleidung und westlich des Teutoburger Waldes scheint die Sonne.
Am Lippesee, das ist wirklich nur ein Baggerloch, empfängt uns Herr Post und führt uns auf seine Varianta. Der erste Blick ist längst nicht so überzeugend wie vorhin. Einige Relingstützen wackeln, im Doppelboden, den wir von Herrn Post fast gegen seinen Willen aufschrauben lassen, steht Wasser, doch das Boot hat eine Sprayhood und sogar eine Kuchenbude. Da wir unser Segelabenteuer nicht gleich mit Reparaturen beginnen wollen, entscheiden wir uns nach ein paar Minuten Bedenkzeit gegen diese Varianta.
Mit der Besichtigung stellen sich neue Erkenntnisse aber auch neue Fragen. Wir sind schnell zu VariantaexpertInnen geworden. Telefonisch nehmen wir wieder Kontakt zu Herrn Schmude auf und verabreden uns für den nächsten Tag auf dem Steinhuder Meer. Eine Probefahrt brauchen wir nicht mehr und als wir die letzten Details, z.B. über Anker und Schwimmwesten ausgehandelt haben stimmen wir zu. „flexibel“ wird am nächsten Sonntag unser Boot. Bis dahin gibt es viel zu tun: Das Geld muss zusammen gekratzt und überwiesen werden. Die kleine Yacht muss bis Sonntag auf meinen Namen versichert sein. Wir brauchen einen Stegplatz und/oder einen Segelclub. Festmacher und Ruckfender müssen bestellt und vorbereitet sein.
Alles gelingt. Danke Segelclub Mardorf. Danke Internet. Punktlandung. Eine Woche später, am Sonntag, den 11. August, unterschreiben wir den Kaufvertrag, die Varianta 65, die ja „flexibel“ heißt, ist unser Boot. Nach der Stufe der Motivation und der Qualifikation erreichen wir die Stufe der Investition.