Freitag, 21.04.06:

O - NO 4 - 5, strichweise diesig

Bereits am Donnerstagabend kommt die neue Crew an Bord. Die Kojen werden bezogen, die Klamotten verstaut, es wird eingekauft und dann weise ich die neue Besatzung in die Sicherheitsregeln unserer "Kalami" ein. Danach wird gegessen: Lecker selbst gemachter Kartoffelsalat und Würstchen, die Kinder nehmen Limo dazu, die drei Erwachsenen 2 - 3 Bier und sogar ein Likör macht die Runde.

Wird man davon "seekrank"?

Nehle (15) ist erstmals mit an Bord und wird ganz sicher "seekrank", das weiß sie jetzt schon. Jan (13) interessiert das nicht, schließlich war er schon mal ein Wochenende mit. Eckart fühlt sich nicht so ganz sicher. Er geht in zwei Wochen in die praktische SKS-Prüfung, die Spannung steigt also und Bernd gibt sich ganz gelassen. Ralf, den kennen wir schon, wird nicht mehr "seekrank" seitdem er Skipper ist und die Verantwortung trägt - jedenfalls nicht bis 8 Bft.

Nach einem langen "Briefing" über das Wetter und die Segelmöglichkeiten entscheiden wir uns gemeinsam für Fehmarn Rund im Uhrzeigersinn. Das verspricht zur Eingewöhnung ruhige, lange Kurse, wenige Kurswechsel, bietet mit der Inselküste und dem Kiel-Ostseeweg - mit Blick auf die großen Schiffe - „maritime Attraktionen“, Segeln auf allen Kursen und Zeit für motivierende Gespräche besonders mit Eckart. Der hat sich ganz intensiv auf diesen Törn vorbereitet, vorbeugend Vitamin-C-Tabletten eingenommen und Kaugummi gegen die "Seekrankheit", also Hosenträger und Gürtel.

Vorsichtshalber wird statt der Genua die kleinere Arbeitsfock angeschlagen und der angehende Skipper muss denn auch gleich das Ruder in die Hand nehmen und mit dem Fahrlehrer an seiner Steuerbordseite den Ableger (1055 Uhr) fahren. Vor lauter Aufregung vergisst der Fahrlehrer dabei die Fender, während der Vorschiffsmann ohne Aufforderung schon mal die Stb-Vorleine einholt. Das bisschen Wind verzeiht aber noch jeden Fehler oder habe ich welche vergessen?

Hier unten sehen wir, wie sich die entspannte Crew auf die persönliche Forschungsreise begibt. Was erwartet mich da draußen?

Die Crew bitte recht freundlich: Eckart, Jan, Bernd, Nehle und Ralf fotografiert

Um 1120 Uhr setzen wir das Groß und gehen bei 4 Bft. aus NO auf Halbwindkurs Richtung Flügge. Nach einer 20minütigen Gewöhnung an das neue Fahrgefühl folgt die Fock, die ich erstmals als Selbstwendefock fahre - für die unerfahrene Crew sicher zunächst eine willkommene Maßnahme. Außer "Kalami" sind weit entfernt ein, zwei Boote unterwegs, Eckart hat freie Fahrt und so viele Fragen: Anlieger? Raumschotkurs? Aufschießer? Wegerecht und Fehmarnsundfahrwasser? Er macht sich fleißig Notizen, während "Kalami" mit 6 kn die Westküste „hochdüst". Längst hat sich Nehle ans Ruder getraut, steuert ruhig und mit viel Gefühl. Nach 11,5 sm haben wir um 1315 Uhr den Lt. Westermarkelsdorf querab. Je mehr wir nun der Nordküste folgen, desto stärker verlieren wir die Landabdeckung. Die See geht 1 m hoch und der ONO kommt mit 4 - 5 Bft.

Wir segeln lange Kreuzschläge und dabei wird es Nehle am Ruder langsam ungemütlich. Plötzlich will keiner mehr steuern. Bernd nicht, damit Eckart lernen kann, Jan winkt ebenfalls ab und Eckart wird zunehmend passiver, ruhiger, signalisiert "jetzt nicht". Also übernimmt der Fahrlehrer das Ruder.

 "Kalami" schiebt um die 15 - 18° Lage und segelt so stabil, dass selbst die Kinder "begreifen", wie kippelig es jetzt ohne Winddruck auf einem Motorboot wäre. Vom Amwindkurs gesponsert kriecht die Kälte langsam unter die Haut. Die Ostsee misst 7, die Luft 9°, aber davon wird man nicht "seekrank" - oder vielleicht doch? Hört denn dieser vedammte Winter gar nicht mehr auf? Nach 22,2 sm stehen wir vor dem Fährhafen von Puttgarden (1545 Uhr), lassen zwei Fähren passieren und ich motiviere behutsam zum Durchhalten, "... wenn wir gleich auf Halbwindkurs gehen hört das Gestampfe bald auf...", aber aus dem Gestampfe wird Geschaukele und hört eben nicht auf, der Wind legt sogar leicht zu und stabilisiert sich bei 5 Bft., die See erreicht gelegentlich 1,5 m. Es ist zum Kotzen.

Während alle anderen immer wieder Platzwechsel vornehmen klebt Eckart an seinem Platz. Natürlich habe ich ihn im Blick, ermuntere, aber jeder spürt, dass es ihm nicht gut geht. Die Kinder sprechen das sehr direkt und dennoch mitfühlend an: "Papa, Du bist ja ganz grün, so kannst Du doch keine Prüfung machen." Nein, so kann Papa das bestimmt nicht, da ist sich die Besatzung einig, aber ob der Papa das am Ende auch so sieht ...?

Ab Staberhuk rollt "Kalami" auf Vorwindkurs nach Hause. Der Vorwindkurs ist sicher der Unangenehmste aller Kurse, aber das ist jetzt nicht mehr so wichtig, wir wollen nur noch zurück. Schließlich kommen alle mehr oder weniger durchgefroren aber wohlbehalten in Heiligenhafen an. Eckart ist völlig platt. Das Anlegemanöver klappt dennoch um 2000 Uhr und nach 42,2 sm viel besser als der Ableger am Vormittag. Und da es so ungerecht wäre, nicht mehr auf das sensationelle Chili con Carne einzugehen, gehört das an dieser Stelle auch noch gesagt.

   
   

Am Samstagmorgen haben alle ihre ausgeschlafene, gesunde Gesichtsfarbe wieder und natürlich hat nie jemand wirklich gefroren. Gute Stimmung also und da wird beim Frühstück so intensiv über Fußball philosophiert, über die Nachrichtenlage und über die hervorragende journalistische Qualität erlesener Zeitungen, bis der 13jährige Jan cool kommentiert: "Ich bin kein Zeitungsleser". Danach kannste nur noch Reinschiff machen und rein ins Auto mit Kurs landeinwärts nach Celle und Hannover.

Gestern sind alle an oder sogar über ihre Grenze gegangen, so wie es sich für eine persönliche Forschungsreise gehört. Die nach dem Törn von Eckart getroffene Entscheidung, trotz der durchlittenen Erfahrung am SKS-Prüfungstörn festzuhalten, verdient jedenfalls Respekt und belegt, wie intensiv er vom Segelvirus infiziert ist. Für ihn geht die Forschungsreise nächste Woche weiter – Mast- und Schotbruch für die Prüfung.

Inzwischen hat Eckart die Prüfung bestanden und von Seekrankheit nichts gespürt - Scopoderm heißt das Zauberwort für Eckart (siehe unten). Herzlichen Glückwunsch & willkommen im Club der lizensierten Skipper!

Für mich war dieser Kurztörn ein deutliches Signal, mich endlich intensiver mit dem Thema "Seekrankheit" zu beschäftigen. Dass es allerdings eine so intensive Beschäftigung werden würde hatte ich nicht geahnt - siehe nächster Logbucheintrag.